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               (© Familienarchiv 1900)

Die letzte Station seines bewegten Lebens war das alte Schulhaus in Armsfeld. Hier fand der 67 jährige Schriftsteller und Maler Erich Scheurmann mit deiner Frau und seinen sechs Kindern eine bescheidene Unterkunft. Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges mussten er und seine Frau aus dem Schuldienst als Laienlehrkräfte ausscheiden und zugleich das neue Schulhaus räumen, das ihnen und einigen Pflegekindern einige Jahre Heimat gewesen war.

Der Mann, der den „schnöden Mammon“ zeitlebens verachtet hatte, hatte die Torheit begangen, sein kleines Haus zwischen dem Gershäuser Hof und Bergfreiheit mitten im Krieg zu verkaufen.

Jetzt ruhte in der Zeit der bittersten Not alle Last auf seiner jungen Frau. Sie fand als Arbeiterin in der Wildunger Textilfabrik Hartenstein eine bescheidene Stellung.

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Erich Scheurmann zutiefst verzweifelt über den Zusammenbruch Deutschlands und die traurige Lage seiner Familie, begegnete der Situation auf seine Weise. Er verfasste einen Aufruf zur Selbstbesinnung unter dem Titel: „Wo ist Deutschland?“ Hier wie in seinem letzen Buch, das 1952 unter dem Titel: „Alle Not ist in uns selbst“ in Form von Briefen an einen Freund erschien, und in zahlreichen öffentlichen Vorträgen versuchte er den Menschen Mut zuzusprechen, in dem er sie an ihre Werte erinnerte.

Erich Scheurmann war auch in Zeiten der Bedrängnis der unverbesserliche Idealist geblieben, der er sein Leben lang gewesen war.

 

Gegen alle bürgerlichen Konventionen

(© Familienarchiv 1900)

Seine Vorfahren stammen wohl aus dem Waldecker Land, sie hatten in Twiste eine Papiermühle betrieben. Am 24. November 1878 wurde Erich Scheurmann als Sohn eines Kaufmanns in Hamburg geboren. In Ihn wurden große Hoffnungen gesetzt, dass er einmal den Familienbetrieb übernimmt. Seinen bürgerlich-strebsamen Eltern passte es gar nicht, dass der einzige Sohn nicht in Ihre Fußstapfen treten wollte, sondern sich in den schärfsten Gegensatz zum fortschritts-gläubigen Geist der „Gründerjahre“ brachte. Er nannte die Zeit, in der er lebte, stets verächtlich das „Maschinenalter“. Das war für Ihn gleichbedeutend mit Herzlosigkeit und Unmenschlichkeit.

Erich Scheurmann hatte alle Strömungen in sich aufgenommen die sich gegen den unerschütterlichen Fortschrittsglauben vieler Zeitgenossen richteten. Dazu gehörte der Kulturpessimismus, den Oswald Spengler später in seinem vielbeachtenden Buch vom „Untergang des Abendlandes“ definierte. Dazu gehörten auch seine Naturschwärmerei und der Wille zum Ungebundensein, sowie die Ablehnung aller bürgerlichen Konventionen, die er mit vielen jungen Menschen aus der Jugendbewegung teilte.

Ein Studium in München an der Kunstakademie sollte ihn auf den Weg bringen.

Auch unter den „Neuromantikern“, die den Ursprung der Kunst in der menschlichen Seele, in der Natur und in vergangenen Epochen suchten, hatte er Gesinnungsgenossen. Sein Lieblingsmaler, der Ihn zutiefst beeindruckte, war bezeichnenderweise Caspar David Friedrich.

Erich Scheurmann lehnte es ab, einen festen Brotberuf zu erlernen. Er tat das, was ihm gerade wichtig wahr. Er war Maler, Schriftsteller, Dramatiker, Märchenerzähler, beschäftigte sich mit psychologischen Randgebieten, war Puppenspieler, Lehrer, Prediger und Lebensreformer, der mit Eifer und Pathos seine Mitmenschen davon zu überzeugen suchte, was er als Wahrheit erkannt hatte. Im Alter von neunzehn Jahren durchwanderte er ganz Deutschland.

Als Zwanzigjähriger verbrachte er einen Sommer malend und schreibend auf Schloss Waldeck. In Bad Wildungen begegnete er zum ersten Mal seiner späteren ersten Frau Agnes Susanne Schwedler (1881-1974).

Erich Scheurmann lernte im Laufe des Lebens einen großen Teil der Welt kennen. Er fühlte sich als Kosmopolit und war zugleich aufs tiefste in seiner deutschen Heimat verwurzelt.

Verbindungen mit Hermann Hesse

Seine erste Heimat schuf sich Erich Scheurmann ab 1903 in der südlichsten Ecke Deutschlands. Er ließ sich in ländlicher Idylle mit seiner Frau Agnes auf der Halbinsel Höri im Bodensee nieder. Das Paar hatte am 14. Dezember 1904 in Konstanz geheiratet. Hier lebte er malend und schreibend mit seiner jungen Frau, die sich ebenfalls künstlerisch betätigte. Sie war als Künstlerin vermutlich Autodidaktin und skizzierte Landschaften und erstellte Gouachen und Scherenschnitte. Ihr Werk ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt geworden.

1911 kam Erich Scheurmanns erstes Buch unter dem Titel „Ein Weg“ heraus, in dem er die Erlebnisse seiner Studienreise und das Suchen eines jungen Künstlers zwischen den Kunstströmungen beschreibt.

Erich Scheurmann zählt neben seinen Freunden, dem Maler Bruno Goldschmitt, sowie den Schriftstellern Ludwig Finckh und Ernst Bacmeister zu den ersten Künstlern, die sich auf der Höri bzw. am Untersee niederließen. Sie hatten sich bewusst für ein einfaches Leben im ländlichen Abseits entschieden.

Durch Scheurmanns Vermittlung fand Hermann Hesse im benachbarten Gaienhofen ein Zuhause. Beide Männer waren auf Ihre Art Außenseiter des Lebens und suchten Kontakt zueinander.

Hesse gelangte bald zu literarischer Anerkennung und Wohlstand und konnte sich für damalige Verhältnisse eine „hochherrschaftliche“ Villa bauen lassen. Er besuchte noch gelegentlich mit einer Flasche Wein unter der Jacke Erich Scheurmann und nahm auch eines seiner Bilder für sein neues Heim mit, eine zarte Frühlingslandschaft.

Agnes Susanne und Erich Scheurmann
(© Familienarchiv 1903)